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Andrina

Mein Name ist Andrina. Ich bin 21 Jahre alt und war trotz meines noch jungen Alters schon einmal dem Tod nahe. Durch Gottes Eingreifen und Gnade geht es mir heute wieder gut. Dies ist meine Geschichte.

Ich bin in Signau, mit meinem älteren Bruder und meiner älteren Schwester, mit fürsorglichen und liebenden Eltern aufgewachsen. Wir wohnen mit unseren Grosseltern in einem Zweifamilienhaus am Waldrand und ich erlebte eine behütete und sehr schöne Kindheit in einem christlichen Elternhaus.

 

Leere und Schmerz erfüllten mich.

 

Dann aber, im Jahr 2016 änderte sich so ziemlich alles. Ich war im Spital dabei, als man bei der Cousine meines Vaters – die Mutter meiner Cou-Cousine und damals eine meiner besten Freundinnen – die lebenserhaltenden Maschinen abschaltete. Als junge Frau mitzuerleben, wie jemand stirbt, war für mich zu viel. Leere und Schmerz erfüllten mich. Ich verdrängte jedoch alles und ging schon am nächsten Morgen wieder zur Schule, als ob nichts gewesen wäre. Auch mit meiner Cou-Cousine sprach ich nie über das Thema. Sie selbst begann in dieser Zeit viel Alkohol zu trinken und gemeinsam gingen wir immer öfters aus. Alkohol und Partys wurden zu einer Gewohnheit. Sie ging schliesslich in eine Klinik, da ihr alles zu viel wurde und sie selber nicht mehr konnte. Ich besuchte sie dort beinahe täglich. Zu dieser Zeit war ich in der Ausbildung zur Pharmaassistentin in einer Apotheke. Mein Chef und der ganze Arbeitsalltag waren streng, aber ich liess es über mich ergehen. Gleichzeitig wuchsen meine psychischen Probleme und ich rutschte mit 18 Jahren in eine Essstörung und magerte stark ab. Da ich am Morgen sowieso nie gefrühstückt hatte, war es ein Leichtes, die Essstörung vor meiner Familie zu verstecken. Am Mittag in der Apotheke konnte ich auch gut ausweichen und am Abend hatte ich „wegen des Stresses bei der Arbeit“ auch oft eine Ausrede, so dass ich alles lange vor allen verstecken konnte.

 

Zuerst wollte ich einfach nur ein bisschen abnehmen. Als ich merkte, wie gut das funktionierte und wie ich mich selber kontrollieren konnte fuhr ich einfach weiter.

 

Wieso genau ich aufhörte zu essen, kann ich bis heute noch immer nicht genau sagen. Zuerst wollte ich einfach nur ein bisschen abnehmen. Als ich merkte, wie gut das funktionierte und wie ich mich selber kontrollieren konnte fuhr ich einfach weiter. So lange, bis ich noch knapp 35 Kilo wog und nur noch aus Haut und Knochen bestand.

Natürlich fiel diese Veränderung auch meinem Umfeld auf. Warnende Stimmen oder Fragen von Familie und Freunden konterte ich oftmals harsch und blockte ab: „Lasst mich in Ruhe, das ist kein Problem. Und überhaupt: Kümmert euch um euer eigenes Leben.“ Ich liess niemanden an mich heran. Auch bei der Arbeit – ich hatte mittlerweile meine Lehre fertig – hielt ich durch, arbeitete wie immer hart, funktionierte, während sich in mir drin diese ganze Leere und der Schmerz immer mehr anstauten.

 

In den ersten Monaten weigerte ich mich, den Ratschlägen zu folgen, liess mich auch nicht krankschreiben und arbeitete zu 100 % weiter.

 

Trotz allem Widerstand gegen Hilfe von aussen, tat ich meiner Mutter dann im Frühjahr 2018 den Gefallen und willigte in ein Gespräch im Inselspital ein. Dort wurde ich untersucht und die Ärzte wollten mich wegen meines schlechten Zustands gleich direkt in die Klinik einweisen. Ich weigerte mich beharrlich, fand das ganze Getue lächerlich und meinen Zustand überhaupt gar nicht so schlimm. So durfte ich doch wieder heim. Jedoch nur unter der Auflage, eine ambulante Therapie anzufangen, welche aus folgenden Terminen bestand: wöchentlich zweimal eine Kontrolle im Inselspital, je einmal pro Woche in die Ernährungsberatung, zur Psychiaterin und in die Gruppentherapie. In den ersten Monaten weigerte ich mich, den Ratschlägen zu folgen, liess mich auch nicht krankschreiben und arbeitete zu 100 % weiter. Ich ernährte mich lange nur von sogenannter Trinknahrung, welche mir die Ärztin im Spital verschrieben hat. Doch auch diese nahm ich anfangs nur wiederwillig. Erst gegen den Sommer wurde ich dann trotzdem krankgeschrieben, weil sich meine Situation nicht verbesserte. Im Gegenteil: Ich hatte bereits Anzeichen von Wasser auf der Lunge und im Herz. Zudem begann mein Körper Morphin zu produzieren, was normalerweise erst bei sterbenden Personen vorkommt. Kurz: Ich hätte jeden Moment sterben können.

Das war mir aber eigentlich egal. Ich hatte keine Hoffnung mehr und habe auch meinen Eltern gesagt, es sei mir egal, zu sterben. Ich hatte abgeschlossen.

 

Dadurch ging es körperlich aber bald wieder leicht aufwärts, ich nahm zu. Im Kopf war ich aber immer noch krank, uneinsichtig und meine psychischen Probleme ungelöst.

 

Erst als mir die Oberärztin mit der Zwangseinweisung in die Klinik drohte, machte ich halbherzig bei der Therapie mit. Meine Mutter kochte für mich, was oftmals nicht einfach war für sie, da ich krankhaft jede einzelne Kalorie wissen wollte und ja keine mehr zu mir nehmen wollte als nötig war. Bei jedem noch so kleinen „Fehler“ beim Kochen liess ich es meine Mutter sofort spüren, was oft sehr verletzend war. Dadurch ging es körperlich aber bald wieder leicht aufwärts, ich nahm zu. Im Kopf war ich aber immer noch krank, uneinsichtig und meine psychischen Probleme ungelöst.

 

Ich hatte plötzlich nicht mehr das Gefühl, ständig ans Essen denken zu müssen. Ab diesem Moment konnte ich wieder ganz normal für mich kochen und essen.

Doch dann geschah das Wunder: Im Herbst besuchte ich auf Einladung meiner Schwester die Days of Hope der HOPE & LIFE CHURCH. Ich kann nicht mehr genau sagen, was die Veränderung ausgelöst hat, aber mein ganzes Denken hat sich in diesen Tagen verändert. Ich hatte plötzlich nicht mehr das Gefühl, ständig ans Essen denken zu müssen. Ab diesem Moment konnte ich wieder ganz normal für mich kochen und essen. Etwa zwei Wochen nach diesem Wendepunkt besuchte ich wie immer meine Psychiaterin. Sie sah mich lange an und sagte dann: „Etwas ist besser. Was hat sich verändert?“ Ich erzählte ihr von meinem Wunder und sie erwiderte, dass auch sie das Gefühl hat, dass nun alles vorbei ist. Auch wenn sie vielleicht nicht ganz verstanden hat, was passiert ist. Nach kurzer Zeit konnte ich dann auch diese Therapiesitzungen beenden.

Seit dieser Wende hat sich auch mein Glaube radikal verändert. Ich hatte nach dem Todesfall mit Gott abgeschlossen, habe mich von ihm entfernt. Auch während der Essstörung hatte ich mit Gott nichts mehr am Hut. Erst als ich wirklich am Tiefpunkt meiner Essstörung angelangt war, in der schlimmsten Phase, habe ich wieder angefangen zu beten. Ich bat Gott darum mich zu erlösen, von dieser Welt zu nehmen oder mich gesund zu machen.  Zuerst sah alles danach aus, als sei ich tatsächlich am Ende und würde eher sterben als wieder gesund werden. Doch es kam anders. Erst im Nachhinein habe ich auch erfahren, dass viele Menschen für mich gebetet haben. Meine Schwester, meine Eltern, Freunde und Bekannte, die bei Gott für mich einstanden.

Die psychischen Wunden, die der Todesfall und meine Essstörung bei mir hinterlassen haben, waren mit der Heilung nicht einfach vom Tisch. In einem Mentoring und für mich alleine habe ich Gott alles hingegeben und mit ihm zusammen losgelassen. Ich musste auch lernen, nicht dem Vergangenen nachzugehen und mir selber das zu vergeben, dass ich mir und auch meinem Umfeld angetan habe. Heute bin frei, befreit durch Gott. Ich freue mich auf das Leben, das noch vor mir liegt. Ich hoffe, mit meiner Geschichte auch anderen Frauen, die mit ähnlichen Problemen kämpfen, Mut zu machen.