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Tamara

Die letzten Monate waren sehr intensiv, eine regelrechte Lebensschule. Ich durfte viel Positives aus dieser Zeit schöpfen, bin intensiver mit Gott unterwegs und empfinde eine grosse Sicherheit und Ruhe in ihm. Aus tiefem Herzen kann ich sagen, dass ich in dieser Zeit viele kleine und grosse Wunder erleben durfte.

Alles begann in der 23. Schwangerschaftswoche. Aufgrund der Covid-19 Erkrankung meines Mannes musste ich den regulären Ultraschall verschieben. Nun also stand diese Kontrolle etwas später als gedacht an. Die Frauenärztin wurde unruhig. Die Grösse des Kindes war nicht identisch mit der errechneten Schwangerschaftswoche und das Fruchtwasser zu knapp. Nun überschlugen sich die Ereignisse. Nach einer Untersuchung im Spital ging ich sofort ins Frauenspital nach Bern. Dort schickten sie mich aber nochmals nach Hause, da die Regelung in der Schweiz vorsieht, erst ab der 24. Schwangerschaftswoche etwas zu unternehmen.

Mit dem Verdacht, dass in Kürze eine Schwangerschaftsvergiftung auftreten könnte und dem Rat, mich zu melden, sollte ich das Baby nicht mehr spüren, wurde ich entlassen. Wenn sich alles ruhig verhalten sollte, hatte ich eine Woche später eine erneute Untersuchung, bei der sich aber auch herausstellen könnte, dass das Herz des Babys aufgehört hatte zu schlagen.

Sollte Gott unser Baby schon früher als gedacht zu sich holen, wusste ich, dass ihn dort ein wunderschöner Ort erwartet, und auch dazu hatte ich irgendwie ein Ja.

Nach diesem Befund gingen mein Mann und ich nach Hause mit einem tiefen Gefühl in uns, dass es Gott im Griff hat und dass er über Leben und Tod entscheidet. Da war auch Trauer, ich habe heftig geweint, aber tief in mir hatte ich ein Vertrauen: «Es kommt gut.» Das habe ich gespürt. Ich merkte, uns waren die Hände gebunden, wir konnten nichts tun. Sollte Gott unser Baby schon früher als gedacht zu sich holen, wusste ich, dass ihn dort ein wunderschöner Ort erwartet, und auch dazu hatte ich irgendwie ein Ja. Wenn dieses Baby lebt, würde ich es als unglaubliches Geschenk ansehen, das ich ehren wollte, aber wir beteten wirklich auch fest dafür, dass Gottes Wille geschehen soll.

Wie ich diesen Glauben aufbringen konnte? Ich sehe es rückblickend als Geschenk. Und auch als Frucht meiner Vergangenheit, dass ich eine Kirche im Rücken habe, die mir diesen Glauben vorlebt, dass ich mit Leuten unterwegs sein darf, die den Glauben teilen, ja, dass ich überhaupt in meinem Leben zum Glauben an Gott finden durfte. Das alles sehe ich als grosses Privileg an, von dem ich nun zehrte.

Wenn Gott dieses Kind will, dann wird es leben, und es spielt uns keine Rolle, ob mit oder ohne Gendefekt.

Die Ärzte standen mit grossen Fragezeichen da. Sie hatten zwar die Plazenta eingeschickt, fanden aber keine Antworten. Es war sehr speziell für sie, da Yannis, unser erster Sohn, gesund ist. Sie erwarteten eine Schwangerschaftsvergiftung, sprachen von Schwangerschaftsdiabetes, nichts davon ist passiert. Sogar der «Bachmann Wert» ging runter, wofür kein Arzt eine Erklärung hatte. Die Ärzte empfohlen uns auch, eine Fruchtwasseranalyse zu machen, um einen möglichen Gendefekt zu orten. Damit wäre man informiert gewesen und hätte allenfalls etwas vorbereiten können, wenn das Kind zur Welt kommt. Wir entschieden uns aber gegen diesen Extraeingriff, wir vertrauten Gott und gingen davon aus: Wenn Gott dieses Kind will, dann wird es leben, und es spielt uns keine Rolle, ob mit oder ohne Gendefekt.

Das haben wir uns übrigens schon vor der Schwangerschaft, ja, sogar schon vor der Geburt von unserem ersten Kind, Yannis, überlegt. Schon damals entschieden wir uns, dass es uns keine Rolle spielt, mit welchen Begabungen das Kind zur Welt kommt. Auch ein Kind mit besonderen Begabungen würde in unsere Familie passen, davon sind wir bis heute überzeugt. Alles hat einen Grund, man erfährt ihn einfach nicht immer. So nahmen wir es also einfach vorweg und warteten.

Ich hatte wirklich auch viel Zeit. Nachdem diese 24. Woche durch war und das Herz unseres Babys immer noch schlug, musste ich im Frauenspital bleiben, insgesamt sollten es 11 Wochen werden. Mein Mann und ich haben sehr viel gebetet in dieser Zeit und Gott immer wieder auch konkret gefragt, was wir in bestimmten Situationen tun sollen. Sollten wir zum Beispiel das Mittel spritzen, das die Lungen schneller reifen lässt? Wir spürten den Lebenstrieb unseres Babys und hatten beide ein Ja zu diesem Schritt. Wir hatten den Eindruck, dass Gott für dieses Kind kämpft und alles für sein Leben tut, so wollten wir auch das in unserer Macht Stehende tun. So entschied ich mich schweren Herzens, in der Klinik zu bleiben und meinen noch kleinen Sohn zu Hause zu lassen und ihn den Grosseltern anzuvertrauen. Auch für ihn habe ich oft gebetet. Ich betete, dass Yannis die Geschehnisse einordnen kann und er sich aufgehoben fühlt.

Wie dankbar war ich in dieser Zeit für mein Umfeld! Manchmal kamen da Gedanken wie: «Du bist eine schlechte Mutter, du lässt Yannis einfach zu Hause.» Diese Gedanken habe ich aber wirklich bewusst immer wieder abgegeben und habe gesagt: Durch Gott schaffen wir das. Auch die Papa Sohn Beziehung und die Beziehung zu den Grosseltern ist wirklich stärker geworden, mein Mann kam dreimal die Woche mit unserem Sohn zu Besuch in die Klinik.

In diese Situation hinein habe ich Gott bewusst mein Vertrauen zugesprochen.

Die Zeit in der Klinik war für mich eine Zeit der intensiven Beziehungspflege mit Gott. Morgens habe ich jeweils das Blogbook von Könu gelesen, vor allen Visiten und Pflegemassnahmen. Ich ging auch viel nach draussen, spazierte und habe Gott wirklich alles gesagt, auch meine Ängste und Kämpfe. Jede Woche musste ich zweimal zum Ultraschall und täglich ein CTG machen, der plötzliche Tod des Babys war allgegenwärtig. In diese Situation hinein habe ich Gott bewusst mein Vertrauen zugesprochen. Über viele Dinge habe ich eine göttliche Ruhe und einen Frieden erhalten.

«Den Frieden und die Ruhe hat man dir richtig angesehen, du hast das ausgestrahlt»

Von Woche zu Woche sahen wir, dass es noch länger gehen darf bis zur Geburt und dass unser Sohn lebt. Doch bei einem CTG haben sie plötzlich keine Herztöne mehr gefunden. Da wurde es um mich herum hektisch. Aber in mir drin war ich im völligen Frieden mit mir, mit Gott und mit dem Baby. Eine Hebamme meinte später, dass sie in ihren 50 Jahren Erfahrung noch nie jemanden in einer solchen Situation mit diesem Frieden erlebt habe. «Den Frieden und die Ruhe hat man dir richtig angesehen, du hast das ausgestrahlt», sagte sie mir später. Ich war wirklich in diesem Flur und sagte: «Ich spüre mein Kind» und hatte dabei den absoluten Frieden. Das war wirklich nicht ich, Gott gab mir diese Sicherheit. Diese Ruhe die ganze Zeit hindurch war für mich etwas Übernatürliches. Ein Geschenk von Gott an mich. Ein Zeichen, dass er da ist und mich sieht. Ich wusste wirklich immer: Gott schaut zu mir. Gott schaut zu meinen Kindern. Er ist der Arzt, ihm vertraue ich. Ich habe Gott wirklich auch nie angeklagt. Irgendwie wusste ich immer, dass es Gott gut mit uns meint.

Aufgrund dieser plötzlich verschwundenen Herztöne musste ich die Abteilung wechseln. In diesen 11 Wochen begleiteten mich Zwölf verschiedene Frauen. Ich konnte für sie da sein, ihnen zuhören, meinen Glauben teilen, ihnen Licht und Hoffnung in ihre Situation geben und es durften Freundschaften entstehen. Aus allem, was geschieht, lässt Gott etwas Gutes entstehen.

Obschon ich an einem ganz anderen Ort war, als in der Nähe der Kirche, hatte ich trotzdem das Gefühl, dass ich in dieser Zeit die Kirche bei mir hatte und diese Kraft erlebt habe.

Obschon ich an einem ganz anderen Ort war, als in der Nähe der Kirche, hatte ich trotzdem das Gefühl, dass ich in dieser Zeit die Kirche bei mir hatte und diese Kraft erlebt habe. Da war zum Beispiel das Pray Team, Menschen aus der Kirche, die für unsere Situation beteten.

Auch viele andere Leute aus der Kirche haben für uns gebetet. Mir kam es vor, als ob es die richtigen Leute erfahren haben und dann auch für uns einstanden. Irgendwie wusste ich: Ich darf mich nun einfach in Gottes Hände fallen lassen und wissen, er sorgt sich um alles. Man hat ja immer das Gefühl, dass man die Dinge im Griff hat, so einigermassen wenigstens. Aber in dieser Zeit hatte ich wirklich nichts mehr in der Hand. Ich konnte einfach nur warten, habe gebetet, Worship gehört, mit Gott geredet und wieder gewartet. Mich freute es auch, dass unsere Freunde keine Berührungsängste hatten, sie haben uns geschrieben und Hilfe angeboten. Fast jeden Tag bekam ich Besuch von jemandem aus der Kirche und ich erhielt viele Nachrichten. Da war wirklich ein Netz, das gehalten hat, ein Netz aus Menschen. Das haben auch meine Zimmernachbarinnen wahrgenommen. Es war für mich gelebte Nächstenliebe pur.

Diese ganze Zeit hat auch uns als Ehepaar sehr gestärkt. Wir glauben daran: Wenn beide denselben Wunsch und die gleiche Sicht haben und in Übereinstimmung beten, können sie von Gott ganz viel erbitten. Diese Übereinstimmung haben wir oft erlebt. Schon bevor wir wussten, dass mit der Schwangerschaft etwas nicht stimmte, hatten wir unabhängig voneinander einen Traum mit dem Namen unseres Sohnes: Ilai Matteo. Als wir einander von diesem Traum erzählten und merkten, dass die Namen identisch sind, hat uns das sehr berührt, und die Namenswahl war getroffen. Ilai bedeutet neben Gott thronen und Matteo Geschenk Gottes.

«Gott, nun verstehe ich dich aber wirklich nicht. Nach all den Prüfungen, die wir durchlebt haben, nun auch das noch!?»

Endlich kam dann dieses kleine Geschenk zur Welt. Es war für uns ein riesiges Wunder. Nun ging ich täglich nach Bern zu unserem neugeborenen Sohn. Unglaublich anstrengend, intensiv, emotional, und doch wunderschön. In diesen Wochen nach der Geburt, als ich täglich zu Ilai nach Bern ging, bekamen wir plötzlich die Meldung, dass wir als Eltern für Zehn Tage in Quarantäne müssen. Meine erste Reaktion darauf war: «Gott, nun verstehe ich dich aber wirklich nicht. Nach all den Prüfungen, die wir durchlebt haben, nun auch das noch!?» Danach hatte ich von einem Moment auf den anderen einen Sichtwechsel, es war, als ob der negative Gedankenstrom plötzlich unterbrochen wäre und ich mich entscheiden konnte, einem neuen Blitzgedanken Raum zu geben: «In der Zeit im Spital hat dich dein älterer Sohn Yannis elf Wochen lang nicht gesehen. Nutze doch diese Zeit für ihn, geniessen diese Tage, du darfst raus in die Natur, es ist für dich eine Zeit der Ruhe und der Erholung.»

«Ja, stimmt, du hast Recht», war meine Antwort auf die leise Stimme Gottes in mir. Und wirklich, ich konnte mit Yannis viel Zeit verbringen, habe mit ihm den Stubenwagen hervorgeholt, Babysachen parat gemacht und konnte ihn emotional vorbereiten auf den kleinen Bruder. Natürlich zerriss es mir das Herz, nicht bei meinem Sohn sein zu dürfen. Gott erinnerte mich aber daran, dass ich ja selbst gesagt hatte, dass dort super Fachleute sind und sich gut um meinen Sohn kümmern. Und das war wirklich so. Sie haben mir Fotos geschickt, Ärzte wie auch Pflegepersonal haben mich angerufen, ich durfte Ilai eine Geschichte vorlesen die sie ihm immer wieder abspielten und konnte via Smartphone live bei einer Musiktherapie dabei sein. Ausserdem fanden wir heraus, dass eine der Pflegerinnen auf der Station von Ilai ebenfalls unsere Kirche besucht. Das Wissen, dass jemand bei Ilai ist, die für ihn betet, die den Nährstoff für den Glauben am selben Ort holt wie wir und das Herz von unseren Pastoren Konrad und Andrea teilt, hat uns sehr geholfen. Es war ein Stück Familie, ich wusste, sie würde uns Eltern während dieser Tage gut vertreten. In meinem Herzen kehrte Ruhe ein. Ich glaube, dass Gott sich etwas überlegt hat und empfand die Zeit trotz allem als schön. «Aber gell, Gott, ich möchte nicht auch noch an Covid-19 erkranken!», und diesen Wunsch hat mir Gott erfüllt.

Dieser Wechsel in meinen Gedanken, dass ich den negativen Stimmen in mir keinen Raum gebe und mich stattdessen auf Gottes Grösse fokussiere ist etwas, das ich in dieser Zeit stark gelernt habe.

Ich habe während der Zeit im Spital und auch jetzt, da Ilai auf der Welt ist, immer wieder Anfechtungen in meinen Gedanken erlebt. Gerade in der Zeit mit zwölf Frauen in einem Zimmer ist es mir immer wieder passiert, dass ich gedacht habe: «Diese Frau darf bereits nach einer Woche nach Hause, und ich bin immer noch da.» Da hörte ich in mir drin die leise Stimme Gottes: «Freue dich für die Frau!» Das machte ich, und es belebte meinen Geist neu. Ein weiterer Standardsatz, der mich runterzog, war: «Du bist eine schlechte Mutter.» Andere Mütter waren nämlich viel länger im Spital bei ihren Neugeborenen präsent. Auch da sagte ich mir dann: «Nein, ich behalte die ganze Familie im Blick, und wenn ich nicht hier bin, ist Gott bei Ilai und gibt ihm Geborgenheit.» Dieser Wechsel in meinen Gedanken, dass ich den negativen Stimmen in mir keinen Raum gebe und mich stattdessen auf Gottes Grösse fokussiere ist etwas, das ich in dieser Zeit stark gelernt habe. Häufig kamen ein neuer Gedanke oder eine andere Sichtweise in meinen Kopf. Trotzdem war ich diejenige, die sich entscheiden musste. Was gewichte ich nun? Was ist mein Fokus? Gebe ich diesem neuen Gedanken Raum und fokussiere mich auf das Gute, das aus einer schwierigen Situation heraus wachsen darf? Immer und immer wieder habe ich mich entschieden, Gott zu vertrauen und seinem Gedanken zu gehorchen, in dem Sinn war es eine menschlich-göttliche Zusammenarbeit.

Gott hat seither in meinem Alltag eine ganz andere Priorität erhalten. Schon vorher hatte ich ihn am Morgen in der Stille gesucht. Nun ist er aber immer da und in meinen Gedanken präsent. Wenn ich am Kochen bin, spreche ich mit ihm und sage ihm Danke, beim Autofahren bete ich um Kraft und Weisheit für meinen Mann, ich bete darum, dass ich Dinge annehmen kann und in Anfechtungen stark bleiben darf. Ich liebe es, auf diese Weise mit Gott unterwegs zu sein und merke, dass er mir sehr schnell Antwort gibt, wenn ich nur bereit bin, zu hören. Ich stehe in dieser Verbindung mit Gott und weiss, dass er 24 Stunden präsent ist, ob ich nun immerzu bete, oder einfach meine alltäglichen Arbeiten erledige. Ich wurde in dieser Zeit wirklich ein Stück näher an Gottes Herz getragen und habe das tiefe Bewusstsein, dass ich nie alleine bin. Ich gehe von Segen zu Segen. Auf dem Weg vom einen Segen zum nächsten gibt es manchmal auch eine Zeit der Dunkelheit und des Schmerzes, genau dieses Tal habe ich durchlaufen, aber ich weiss auch, dass ich nach dem Tal zu neuem Licht geführt werde und freue mich schon auf all den weiteren Segen, den Gott für uns bereithält.