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Christine

Mein Mann Pascal und ich heirateten jung. Heute sind wir 10 Jahre verheiratet. In dieser Zeit trafen uns einige schwere Schicksalsschläge. In alldem durften wir erleben, dass wir jederzeit unter Gottes Schutz sind.

Kennengelernt haben wir uns in unseren Teenagerjahren. Im Gegensatz zu mir wuchs mein Mann Pascal nicht in einer christlichen Familie auf. Trotzdem begleitete er mich Woche für Woche in meine Kirche. Nachdem Pascal Gott bewusst selbst in sein Leben eingeladen hatte fühlten wir, dass wir zusammen gehören. So starteten wir unsere Beziehung im Alter von 16 Jahren. Nach seiner Entscheidung für Gott war er Feuer und Flamme für Gott und die Kirche. Er brachte sich selbst das Gitarre spielen bei, wir nahmen gemeinsam Gesangsunterricht und spielten und sangen zusammen in einem Worshipteam. Der Lobpries bedeutete ihm viel, dort begegnete er Gott.

Pascal ist ein Optimist, sehr zuversichtlich und positiv seit ich ihn kenne.

Zudem ist er sehr intelligent, intellektuell stark, erfolgreich und er war sehr sportlich, alles gelang ihm. Am 13. August 2011 haben wir geheiratet. Wir waren noch jung, beide um die 20 Jahre. Ich wusste, dass Pascal eine Hirnblutung hatte aufgrund einer Gefässmissbildung als er elf Jahre alt war. Darüber habe ich mir jedoch keine Gedanken gemacht. Bis ich zwei Jahre nach unserer Hochzeit, also im August 2013, einen Anruf von meiner Schwiegermutter bekam: Pascal hatte eine Hirnblutung und wurde ins Inselspital gebracht. Zu unserer Erleichterung hatte diese Hirnblutung keine grösseren Schäden hinterlassen. Pascal hatte dann einen langen Spitalaufenthalt mit anschliessender Akut-Reha. Er konnte sich kaum von seiner Hirnblutung erholen, da hatte er eine zweite Hirnblutung. Dies geschah noch in der Reha im September 2013. Diese Blutung wurde begleitet von einem epileptischen Anfall und traf meinen Mann härter. Seine linke Körperhälfte war zwar nicht ganz gelähmt, er hatte jedoch auf der linken Körperseite Ausfälle und war dort geschwächt. Nach seiner zweiten Blutung folgte wieder ein langer Spitalaufenthalt mit anschliessender Akut-Reha. Danach kam Pascal in die Reha für Hirnverletzungen in Tschugg. Im Frühling 2014 konnte er endlich nach Hause. Er ist ein Kämpfer und hat einen starken Willen. In der Reha und auch zuhause musste er alles wieder neu lernen und trainieren und sich seine Bewegungen zurückkämpfen. Leider hatten wir nicht lange Ruhe und im Sommer 2014 erlitt er erneut eine Hirnblutung. Diesmal traf es ihn hart.

Sein Leben hing am seidenen Faden. Sein Zustand war kritisch. Dass er dies überlebt hat, ist für mich ein klares Wunder.

Als ich von der erneuten Blutung erfuhr, war ich wie gelähmt. Es schien kein Ende zu nehmen. Ich konnte nicht mehr. Ich fühlte mich am Ende meiner Kräfte. Mit meinen jungen Jahren musste ich als seine Ehefrau über schwerwiegende Dinge entscheiden. Er musste dann notfallmässig operiert werden. Dabei wurde ihm die ganze rechte Schädeldecke entfernt. An diesem Tag wurde mir bewusst, dass ich rein gar nichts in meiner Hand habe. Das einzige, was ich jetzt tun konnte, war Pascal loslassen und die ganze Situation in Gottes Hände geben und ihm vertrauen.

Ich betete sogar: „Gott, wenn du Pascal zu dir nehmen willst, dann tu dies. Aber lass ihn nicht leiden. Dann lass es schnell geschehen“.

Die Operation verlief dann relativ gut. Pascal war aber nicht mehr derselbe. Körperlich war er anfangs so geschwächt, dass er nicht mehr alleine stehen konnte. Eigentlich war er körperlich wie auch geistig behindert. Sein linker Arm war voll und ganz gelähmt, sein linkes Bein konnte er mit grossen Einschränkungen noch bewegen. Es war eine sogenannte Hemiparese, das heisst, er war zwar nicht vollkommen gelähmt, aber stark geschwächt und eingeschränkt. Auch geistig war Pascal nicht mehr derselbe. Manchmal war er desorientiert. Er vergass jetzt Dinge, konnte mir im Gespräch nicht mehr ganz folgen, hatte einen Starrblick, redete zum Teil wirre Sachen und war oft wie in einer anderen Welt. Die Ärzte empfahlen uns eine weitere Operation, bei der die fehlgebildeten Blutgefässe (AV-Malformation) entfernt würden. Dadurch sollte es nicht mehr zu weiteren Blutungen kommen. Dieser Eingriff wurde dann am 11. September 2014 gemacht. Anschliessend war Pascal erneut lange im Spital, in der Akut-Reha und wieder in Tschugg.

Danach stellte sich die grosse Frage: Was jetzt? Nach Hause konnte Pascal nicht, er war noch nicht so weit. Er war auf viel Hilfe angewiesen. Sei es beim Duschen, An- und Ausziehen, Gehen, Kochen, Einkaufen, Organisieren, eigentlich bei ALLEM. Nach langer Suche fanden wir einen Ort, das Haus Selun in Walenstadt bei St. Gallen, wo man ihm half, den Weg zurück ins Leben und in den Alltag zu schaffen. Leider war der Anfahrtsweg ca. 2,5 Stunden. Ich stand zu der Zeit unter grossem Druck. Ich befand mich in der Ausbildung, besuchte Pascal alle 14 Tage für ein Wochenende, war zuständig für alles Organisatorische. Er verbrachte dort zwei Jahre. Wir telefonierten oft. Manchmal konnte ich gut mit ihm reden, manchmal konnte er mir kaum folgen im Gespräch.

Er ist ein wahrer Kämpfer! In diesen zwei Jahren hat er hart trainiert und schaffte es aus dem Rollstuhl raus!

Er hat nie seine positive Art verloren, er ist sogar noch positiver geworden. In dieser schwierigen Zeit haben wir immer wieder gelernt unsere Umstände in Gottes Hand zu geben.

Loslassen war ein Dauerthema. Loslassen von Vorstellungen wie eine Ehe, wie ein Leben aussehen könnte.

Dabei haben wir erlebt, dass Gott uns versorgt. Er gab zur rechten Zeit neue Energie. Wir haben beide unseren Glauben behalten, trotz mancher Zweifel. Er ist stärker und tiefer geworden. Pascal ist noch wärmer, nahbarer, geduldiger und herzlicher geworden. Seit er zuhause ist, ist unser Leben nicht mehr dasselbe. Sein Gesundheitszustand scheint immer gegenwärtig. Immer wieder leidet er unter epileptischen Anfällen. Mal hatte er Probleme mit der Blase, mal stürzte er vermehrt.

Ich bin immer irgendwie in Alarmbereitschaft. Manchmal fühlt es sich an, als ob ich Pikettdienst hätte – für immer.

Wir haben bis heute Mühe, in unserem Leben zur Ruhe zu kommen, weil uns die Angst im Nacken sitzt, dass wieder etwas passieren könnte. Vor drei Jahren musste er wieder ins Spital wegen eines sehr starken Epilepsieanfalls, und das auch noch in Italien! Ich fühlte mich ohnmächtig. Es hörte einfach nicht auf. Ich fühlte mich erschöpft, psychisch ging es mir sehr schlecht. Ich stellte mir konkret die Frage: Schaffe ich es an der Seite meines Mannes zu bleiben, mit allem was das heisst? Auch unsere emotionale Nähe war in der ganzen Zeit verlorengegangen. Eine Trennung stand für mich im Raum, wir haben auch darüber geredet. Wir stiessen dann auf den Ehekurs „Love after Marriage“. Dies schien unsere letzte Chance zu sein. Wir konnten den Kurs besuchen, da uns ein Kollegenehepaar alles finanziert hat. Der Kurs hat uns so gut getan. Viele Tränen durften geweint und vieles angeschaut und verändert werden. Wieder zuhause blieben wir dran und investierten uns ganz bewusst in unsere Ehe. Wir gaben unser Menschenbestes, um unsere Ehe zu retten. Wir wussten, das ist die letzte Chance. Mit aller Kraft in unsere Ehe investieren, in der Hoffnung, dass Gott sie rettet. Gott belohnte unsere Treue und unsern Einsatz. Wir haben wieder zueinander gefunden und diese Krise überwunden.

Das ist ein riesiges Wunder!

Dann haben wir entdeckt, dass unser Herz dafür schlägt, auch anderen Ehepaaren in herausfordernden Situationen zu helfen. Heute bieten wir diesen Kurs selber an und dürfen andere durch unsere Geschichte ermutigen.

Wir haben erlebt: Wenn beide Ehepartner die Ehe retten wollen, dann ist alles möglich. Mit Gott an unserer Seite sowieso.

Gott hat uns auch noch ein anderes Wunder geschenkt. Schon immer haben wir von einer Familie geträumt. Mit unserer Geschichte schien dies aber kein Thema zu sein. Doch vor einiger Zeit hatten wir das Gefühl, dass eine Familie jetzt für uns dran ist. Vor neun Monaten durften wir dann unser riesengrosses Wunder in die Arme nehmen: Unseren Sohn Joan.

Jedes Kind ist ein Wunder, unser Sohn ganz besonders. Sein Name bedeutet „Gott ist gnädig/gütig“.

Dies passt so gut zu unserer Geschichte. Trotzdem ist unser Leben nicht perfekt. Vieles ist zwar besser geworden. Pascal kann an einem angepassten Arbeitsplatz arbeiten. Er wurde aber nicht ganz geheilt. Seine Persönlichkeit und seine körperliche Erscheinung haben sich verändert. Manches bleibt eine Herausforderung. Ich möchte auch über unsere Enttäuschungen und Schwierigkeiten reden. Denn diese hat jeder, und mit Ehrlichkeit und Echtheit können wir einander helfen. Im Moment bin ich mit Joan voll zuhause und arbeite nicht. Dadurch kommt mehr und mehr Ruhe in unser Leben.

Da Pascal nachmittags zuhause ist, haben wir viel gemeinsame Zeit. Dies ist ein Privileg, welches eine Folge seiner Krankheit ist. Welcher Vater kann schon so viel Zeit bei seiner Familie verbringen?

Durch seine Lähmung im Arm kann Pascal nicht mehr Gitarre spielen und er vermisst dies immer noch. Er hat aber auch gelernt eine neue Sicht auf die Anbetung zu bekommen.

Er sagt heute, dass Anbetung vor allem eine Herzenshaltung ist. Es kann schon Anbetung sein, wenn ich für Gott nur meinen Finger bewege.

Mittlerweile sind wir in unserem Alltag ein eingespieltes Team. Vor kurzem bekamen wir von Gott ein wunderschönes Bild für unsere Familie. Bei einem Spaziergang sahen wir aussergewöhnlich viele Weinbergschnecken. Ich habe meiner Mutter davon erzählt. Darauf erwiderte meine Mutter: „Diese Tiere sind geschützt.“ Diese Aussage traf mich wie ein Schlag. Ich war tief berührt und spürte, dass dies Gottes Reden war. Wir als Familie stehen unter Gottes Schutz. Zeitgleich sah Pascal ein inneres Bild, welches dasselbe aussagt: Wir als Familie befanden uns in einem Zelt. Mit uns im Zelt waren auch die Generationen vor und nach uns, alle Freunde und Bekannte, die mit uns in Berührung sind. Wir sind in Gottes Schutzzelt. Amen! Es ist soo wunderschön, dies zu wissen! Wenn ich etwas aus dieser Krankheitszeit mitnehme, ist es, dass ich alles loslassen darf und Gott uns versorgt. Wir wollen heute mutig unser Leben leben und geniessen, im Wissen, dass Gott noch viel Gutes für uns bereithält.

 

Redaktorin: Mirjam