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Während meines bisherigen Lebens wurde mir durch verschiedene Erlebnisse sichtbar, wie kostbar das Leben ist. Jede und jeder ist zerbrechlich, und die Gesundheit ist ein Geschenk. Ich bin sehr dankbar, dass ich in einer christlichen Familie aufwachsen durfte. Mein Vater ist Pfarrer, und der Glaube ist ein wichtiger Bestandteil meiner Familie wie auch für mich selbst. Als Kind und Teenager hatte ich einige konkrete Ideen, was ich in meinem späteren Leben machen möchte. Ich wollte Missionarin werden, dann Informatikerin – falls ich nicht nach der 8. Klasse ins Gymnasium komme. Als ich dann tatsächlich im Gymnasium war, dachte ich, dass ich Ärztin werden möchte, falls ich es beim ersten Anlauf des Numerus Clausus schaffen würde. Da meine Leistungen in der Schule sehr gut waren und ich keine Schwierigkeiten hatte, sah es so aus, als ob mir alle Wege offenstehen würden.

Während des letzten Semesters im Gymnasium im Jahr 2014 hatte ich allerdings einen folgenschweren Verkehrsunfall. Dabei habe ich ein schweres Schädel-Hirn-Trauma erlitten, und ich wurde in ein künstliches Koma versetzt. Nach sechs Tagen wollten die Ärzte versuchen, mich aus der Narkose aufzuwecken. Es war allerdings nicht klar, ob ich aufwachen oder sogar sterben würde. Meine Kopfverletzungen waren sehr groß. Die Hirnschäden befanden sich genau an dem Ort, wo das Sprachzentrum ist. Aufgrund dieser Verletzungen vermuteten die Fachärzte, dass ich wohl nicht mehr reden könnte und eventuell sogar Lähmungen haben würde. Des Weiteren würde ich wohl auch eine starke Persönlichkeitsveränderung haben. Es war für sie auch klar, dass ich nun nicht mehr selbstständig leben könne. Der erste Versuch, mich aus dem Koma wieder aufzuwecken, funktionierte! Während des Unfalls wurde tatsächlich das Sprachzentrum meines Gehirns geschädigt, das heißt, dass auch meine sprachlichen Fähigkeiten teilweise verloren gingen. Das bedeutete, dass ich zu Beginn nicht mehr sprechen, verstehen und schreiben konnte. Gott hat das Gehirn genial konstruiert. Es kann sich sozusagen selbst heilen. Die beschädigten Zellen können durch neue ersetzt werden, indem neue Verbindungen zwischen den Nervenzellen hergestellt werden. Es können auch neue Nervenzellen entstehen. Ob, wann und inwiefern das bei mir passieren würde, war nicht klar. Es war ein langwieriger Prozess. Zunächst musste ich die Wörter wieder richtig lernen. Schreiben versuchte ich das erste Mal in der zweiten oder dritten Woche. Glücklicherweise hat mein Denken noch gut funktioniert, obwohl ich mit der Sprache Mühe hatte. Die anderen Befürchtungen der Ärzte, dass Lähmungen oder eine starke Persönlichkeitsveränderung auftreten würden, sind nicht eingetroffen. Darüber bin ich sehr glücklich! Natürlich wollte ich das Gymnasium fertig machen. Ich bin froh, dass mir die Ärzte nicht davon abgeraten haben.

Im Vergleich dazu, was sie erwarteten, was ich nach dem Aufwachen aus dem Koma würde leisten können, hat sich meine Genesung sehr gut entwickelt. Ich bin mir sicher, dass das nicht nur an den Übungen in der Logopädie lag. Gott war bei jeder Lernsequenz, beim Üben und bei jedem Lernerfolg dabei!

Obwohl die Logopädin nicht davon begeistert war, dass ich wieder ins Gymnasium gehen wollte, habe ich tatsächlich ein Jahr später die Maturität absolviert! Ich weiß noch, dass ich einmal ins Spital gehen musste und ein Gespräch mit einem neuen Arzt hatte. Nachdem er das Röntgenbild von meinem Kopf betrachtet hatte, konnte er zunächst nicht glauben, dass ich nach dem Unfall mit diesen Verletzungen das Gymnasium doch noch erfolgreich absolvieren und danach sogar studieren konnte.
Im Nachhinein weiß ich, dass sehr viele Menschen, die ich zum Teil selbst nicht kannte, für mich beteten. Das ist auch nicht selbstverständlich, und dafür bin ich sehr dankbar.

Ich glaube, dass während des Unfalls und auch auf dem Weg ins Inselspital mit dem Hubschrauber sowie bei den Operationen viele Engel dabei gewesen sind, die mich beschützt und Schlimmeres verhindert haben.

Auch in der Reha und beim sprachlichen Lernprozess war Gott immer bei mir. Es ist nicht selbstverständlich, dass ich damals in kurzer Zeit so gute Fortschritte machen konnte. Eigentlich könnte man denken, dass die Geschichte nun fertig ist und alles wieder gut war. Das war aber leider nicht so. Als es mir wieder gut ging, kam das nächste Ereignis: der erste epileptische Anfall. Die Ärzte wussten, dass Personen nach einem schweren Schädel-Hirn-Trauma häufig Epilepsie bekommen. Zum Glück war dieser Anfall nicht schlimm; ich konnte einfach meine linke Hand nicht mehr bewegen. Eigentlich wollten meine Eltern mit mir ins Spital gehen. Die Fachpersonen aus dem Spital ahnten jedoch Schlimmeres und schickten zuerst eine Ambulanz und dann sogar die Rega! Das einzig Schöne an dem Ganzen war, dass ich diesmal mit vollem Bewusstsein in einem Helikopter fliegen konnte – wobei ich im Liegen zwar nicht so viel sehen konnte. Leider blieb das nicht der einzige Anfall. Glücklicherweise wirkten sich die meisten Anfälle nur dadurch aus, dass ich für einige Minuten mein Hörverstehen und meine Fähigkeit zu sprechen verlor. Es gab jedoch auch einige schlimmere Anfälle, bei denen mir mein Körper nicht mehr gehorchte und ich kurzzeitig bewusstlos wurde. Unglücklicherweise gab es für mich keine Medikamente, die diese Anfälle unterdrücken konnten.

Ich glaube, dass in jeder Situation Engel dabei gewesen sind. Jedes Mal, wenn ich bewusstlos geworden bin, war ich nicht allein.

Leider wurden die Anfälle mit der Zeit immer schlimmer. Die Ärzte meinten, dass die einzige Option, diese Anfälle zu verhindern, weitere Operationen wären. Bei diesen Operationen ging es darum, die Stellen im Gehirn, welche die Epilepsie verursachten, zu entfernen. Dabei gab es aber keine Garantie, ob es funktionieren würde, und es bestand sogar die Gefahr, dass mein Sprachzentrum so stark beschädigt würde, dass ich im schlimmsten Fall nie mehr sprechen könnte. Ich sprach mit Gott, und ich fühlte, dass der Entscheid, diese Operationen zu machen, der richtige ist. Als ich nach der letzten Operation aufwachte, waren alle meine verbalen Fähigkeiten nicht mehr da. Sprechen, Verstehen, Lesen, Schreiben – das alles konnte ich nicht mehr.

Ich war nun zum dritten Mal in meinem Leben dabei, die Sprache wieder von Null auf zu lernen.

Eigentlich war geplant, dass ich nach den letzten Operationen wieder nach Hause gehen würde. Es war aber so, dass ich wieder in die Reha musste – so wie sieben Jahre zuvor. Ich weiß noch genau, wie ich etwas später eine Nachricht einer Freundin beantworten wollte. Zunächst versuchte ich, ihr zu schreiben. Das funktionierte natürlich nicht. Dann dachte ich, dass ich eine mündliche Sprachnachricht machen könnte. Ich glaube, ich benötigte dazu etwa eine halbe Stunde, und ich fragte mich, was wohl die Pflegefachpersonen gedacht haben, was ich da wohl mache. Mein Ziel hatte ich am Schluss nicht erreicht, ich war frustriert. In dieser Zeit hat mir das Hören von Worship sehr geholfen. Die Texte habe ich zwar noch nicht verstanden, aber da ich die Songs kannte, wusste ich, wovon sie handeln. Schön war, dass ich nach der ganzen Zeit wieder die gleiche Logopädin hatte, die mich damals direkt nach dem Unfall schon betreut hatte. Es war wieder ein langer Lernprozess, aber das Gehirn kann so viel wieder lernen.

Viele Fragen, keine Antworten – aber doch das Wissen, dass ich richtig entschieden habe. In jeder Situation, an jedem Tag, bei jedem Zweifel ist Gott da und hält meine Hand.

Heute bin ich mir sicher, dass es die richtige Entscheidung war. Außerdem hat sich neben den ganzen negativen Folgen der Operationen das eigentliche Ziel doch erfüllt: Ich habe nun tatsächlich keine epileptischen Anfälle mehr, und ich bin dafür so dankbar! Als ich in diesem Sommer meine Bachelor-Arbeit abgegeben habe, war ich sehr stolz, dass ich so eine Arbeit vollenden darf!

Ohne Gottes Wunder beim Unfall, seine Hilfe im Lernprozess – die auch die Erwartungen der Fachärzte übertroffen haben – und all den anderen Situationen, die ich im Rahmen dieses Textes gar nicht erwähnen kann, wäre ich nie dort, wo ich jetzt bin.

Als ich nach dem Unfall im Spital war, habe ich von meinen Großeltern ein Plüschtier-Schaf erhalten. Immer wieder, wenn ich es ansehe, denke ich daran, dass Gott mein Hirte ist und mich führt. Bei ihm gibt es keinen Mangel, er ist immer bei seinen Schafen und beschützt sie. Er hat mir mein Leben wieder geschenkt. Jeder Tag ist ein Geschenk Gottes, und ich will für jeden Tag und für alles, was ich machen kann, dankbar sein. Das Leben ist so kostbar.