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Silvia

Mein Name ist Silvia, ich bin verheiratet, Mutter von zwei Töchtern und wohne im Emmental. Seit ich mich erinnern kann, ungefähr seit der Pubertät kämpfe ich mit Gewichtsproblemen. Durch einen Schicksalsschlag in der Familie wurde ich zum Frust- und Stressesser. Essen gab mir Trost, wie ich ihn sonst nicht finden konnte.

In der Schule war Sport für mich ein ewiger Kampf und mein Gewicht war hier auch nicht hilfreich. Ich wurde viel ausgelacht und wegen meinem Gewicht und meiner Unsportlichkeit gehänselt. Das half natürlich gar nicht, etwas daran zu ändern. Wegen meines Frustessens wurde ich auch von meinen Geschwistern gehänselt. Ich zog mich immer mehr zurück.

Mein bester Freund war das Essen.

Nach der Schule ging ich ein Jahr ins Welschland und der Kommentar meines Umfeldes war: Jetzt wird sie aufgehen wie ein Pfannkuchen weil niemand mehr schaut, was sie isst! Bis dahin haben zwar alle geschaut, was ich esse, aber geholfen hat mir niemand! Zwei Sportarten habe ich immer geliebt: Reiten und Schwimmen. Pferde haben mir immer zugehört und keine blöden Bemerkungen gemacht und Schwimmen war auch mit etwas mehr Gewicht kein Problem. Nach der Lehre hat das Ganze allerdings unmögliche Dimensionen angenommen. Ich fing mit diversen Diäten an, meldete mich im Fitness an und habe das auch durchgezogen. Aber wie bei vielen Diäten üblich, blieb auch bei mir der Jojo-Effekt nicht aus. Ich nahm ab, dann wieder zu und so weiter.

Aber ich habe immer Sport gemacht. Ich reite bis heute, ging ins Aquapower und machte diverse Kurse. Einfach das Gewicht konnte ich nicht in den Griff kriegen. Ich war auch in diversen Ernährungsberatungen im Spital und in einer Arztpraxis. Aber niemand konnte mir helfen. Meine Schilddrüsenunterfunktion war dabei auch nicht hilfreich. Währen den Schwangerschaften hatte ich mit Diabetes zu kämpfen und musste Insulin spritzen. Ich habe während beiden Schwangerschaften Gewicht verloren und beim Stillen wieder zugenommen. Ganz schlimm war es bei unserem zweiten Kind. Ich habe gestillt, geweint und zugenommen – Kilo um Kilo. Jedes Mal wenn ich meine Ernährung umstellte und etwas abnahm, hatte ich keine Milch mehr und konnte nicht mehr stillen. Wegen der Diabetes sollte ich aber mindestens drei Monate stillen. Ich habe gestillt und geweint und gehofft, dass die drei Monate möglichst schnell um sind! Nach diesen drei Monaten Stillen war ich so schwer wie noch nie zuvor und erst mit dem Abstillen hörte ich auf, zuzunehmen.

Aber jetzt fing der Kampf mit dem Abnehmen wieder an.

Ich machte Sport – unter anderem ging ich regelmässig in den Teamsport der HOPE & LIFE CHURCH und habe es geliebt. Dort wurde ich das erste Mal nicht ausgelacht und durfte einfach mitmachen – egal, wie fit ich war. Ich konnte mich mit meinen negativen Erfahrungen beim Sport versöhnen. Im Herbst 2018 war ich beruflich an einer Messe in München und bei zu viel Bier haben zwei Kolleginnen, der Geschäftsführer unserer Firma in England und ich beschlossen, in 2019 am GP in Bern teilzunehmen.

Am nächsten Morgen fand ich die Idee gar nicht mehr so gut, ich hatte ja nicht einmal Joggingschuhe! Aber der Geschäftsführer motivierte mich und sagte mir seine Hilfe zu und versprach, wenn ich das durchziehen würde, würde er extra von London nach Bern kommen und im Ziel auf mich warten. Nun war mein Ehrgeiz angestachelt. Ich kaufte mir Turnschuhe und habe mit seinem Plan mit dem Training begonnen! Und voller Stolz darf ich sagen, dass ich im Mai 2019 den Altstadt-GP gerannt bin. Obwohl es beim Start gehagelt hat, habe ich mein Ziel nicht aus den Augen verloren und habe nicht aufgegeben. Gleichzeitig wurde ich vom Arzt noch einmal zur Ernährungsberatung überwiesen und auch dort konnten Sie mir nicht helfen. Völlig verzweifelt ging ich wieder zum Arzt und liess mich in die Adipositas-Sprechstunde in der Insel überweisen. Mein letzter Versuch, etwas gegen mein Übergewicht zu machen. Dort wurde ich zuerst einmal untersucht – ich bin kerngesund, nur einfach zu schwer. Und zum ersten Mal wurde ich zum Psychiater geschickt, da meine Diagnose Binge-Eating (Esssucht) lautet und diese meistens psychische Ursachen hat.

Ich fühlte mich das erste Mal richtig ernst genommen und gut aufgehoben.

Das Problem ist immer noch das Gleiche: Jedem Süchtigen wird die Droge weggenommen, das ist beim Essen leider etwas schwierig. Jetzt, drei Jahre später und gut 20 kg leichter, bin ich so fit wie wahrscheinlich noch nie in meinem Leben. Ich bin immer noch gesund und kämpfe immer noch mit dem Gewicht.

Aber ich habe gelernt, ich bin wertvoll, wunderbar geschaffen und Gottes Meisterwerk.

Ich bin gut so, wie ich bin, auch wenn ich nicht dem gängigen Ideal entspreche – oder gerade deswegen. Ich kämpfe weiter und mit Gottes Hilfe werde ich hoffentlich noch das eine oder andere Kilo verlieren.