Skip to main content

Ich bin angekommen im November. Im Monat vor einem meiner liebsten Feste im Jahreslauf. Doch nach Freude ist mir im Moment nicht so zumute, vielmehr spüre ich einen leichten Druck auf meiner Brust.

Welche Weihnachtswünsche könnten passen für meine Kinder? Wem möchte ich selber eine Freude machen und was soll es denn dieses Jahr sein? Welche Rituale möchte ich dieses Jahr in die Adventszeit einbauen? Was braucht es dafür? Am Sonntag in der Kirche ziehe ich nach der Predigt einen Bibelvers für mich: «Seid euch bewusst, dass ihr letztendlich für Gott, und nicht für die Menschen arbeitet.» Irgendetwas lässt mich kurz innehalten. Zuerst wische ich es weg, doch am Nachmittag in einer ruhigen Minute sinne ich über den Vers nach.

Für wen mache ich, was ich mache? Was ist wichtig, was nicht? Wofür möchte ich Zeit ausgeben?

Es sind grosse Fragen und die Antwort scheint mir in diesem Moment einfach und einleuchtend: Ich möchte geführt und nicht getrieben sein. Der Name dessen, der mich führen darf, ist Gott. Er sitzt auf dem Thron. Die Umsetzung in den Alltag ist aber nicht ganz so einfach wie meine Antwort, die ich zwar aus tiefem Herzen ernst meine, die aber schnell formuliert ist. Prioritäten setzen im Alltag. Ein grosses Wort. Bereits heute sieht mein Alltag anders aus als noch vor einem Jahr, als noch beide Jungs zu Hause waren. Nun ist mein Grosser im Kindergarten und der Kleinere einmal in der Woche in der Spielgruppe. Ich spüre etwas mehr Luft, aber die Prioritätenfrage wird nicht weniger wichtig. Vieles habe ich bereits erkannt und umgesetzt. Einige Punkte sind Dauerthemen, bei denen ich scheinbar immer wieder neu herausgefordert bin, die Balance zu finden. Beim Nachdenken über das Thema «Prioritäten setzen» schiesst mir das Wort «Gnade» durch den Kopf, das möglicherweise der wichtigste Punkt auf meiner Reise durch den Alltag geworden ist. So vieles habe ich nicht im Griff oder ändert sich plötzlich. Ich bin mir absolut bewusst, dass ich Gott brauche, seine Weisheit anzapfen will und seine Führung benötige. In der Frage nach Prioritäten ist mir ausserdem wichtig geworden, dass ich ich bin und nicht jemand anderes. Ja, ich bin wunderbar gemacht. Andere auch. Aber ich muss nicht gleich sein wie die anderen, geschweige denn mich vergleichen. Ich habe ein einzigartiges Leben mit einzigartigen Kindern, wozu mich Gott geschaffen hat und in welches er mich bewusst hineingestellt hat. Zu mir zu stehen, Ja zu sagen zu meiner Art und dabei gleichzeitig auch Nein zu sagen zu anderem, ist eine Art, die mir hilft, Prioritäten zu setzen. Ich darf Ja sagen zu meinen Lücken und Versäumnissen im Wissen, dass Gott seinen Weg mit mir und meinen Liebsten geht, trotz meiner Fehler. Da ich beispielsweise zu einem gewissen Teil introvertiert bin und es zwar liebe, in Gemeinschaft mit anderen zu sein, aber danach auch wieder Zeiten der Erholung brauche, in denen ich auftanken kann, will ich meinen Terminkalender nicht zu voll haben und geniesse dafür einzelne Treffen mit anderen Müttern oder Ausflüge mit der Familie umso mehr. Das will ich auch gerade in der Weihnachtszeit bedenken.

Neuerdings habe ich an einem Vormittag in der Woche zwei Stunden ganz für mich. Neben einzelnen Dingen wie Mittagessen zu kochen oder anstehenden Aufgaben nachzugehen habe ich mich entschieden, eine Stunde spazieren zu gehen.

Ich rede dabei mit Gott über das, was mir gerade in den Sinn kommt, bete für Freunde, bespreche Sorgen und Ängste.

Schon oft haben sich dadurch Dinge in meinem Kopf wie von selbst ergeben, ich konnte göttliche Abkürzungen in meinen anstehenden Aufgaben erkennen oder ging einfach erfrischt aus dieser Stunde raus. Sollte ich diese freien Vormittage nicht besser nutzen, war meine anfängliche Frage. Heute, ein halbes Jahr später, kann ich sagen: Ja, ich könnte sie durchaus anders nutzen, aber momentan möchte ich es dabei belassen, da es mir und damit letztendlich meinen Mitmenschen so guttut. Ich ertappe mich manchmal dabei, wie ich morgens losrenne in den Tag und vieles erledigen möchte und auch kann, und dabei völlig vergesse, dass da ja einer ist, der an meiner Seite ist, der mich führen möchte, der mich beraten möchte und der die Reise mit mir geniessen möchte. In der Bibel steht, dass Gott uns mit seinen Augen leiten möchte. Es ist einer meiner Lieblingsverse, da es eine Vertrautheit anspricht, die man erhält, wenn man den anderen gut kennt.

Doch als ich auf einem Spaziergang über diesen Bibelvers nachdachte, fiel mir auf: Damit Gott mich mit seinen Augen leiten kann, muss ich ihn anschauen.

Ja, ich möchte den Blick nach oben richten, im Alltag immer wieder Gottes Führung und seine Gunst suchen und erkennen. Im Schauen auf Gott finde ich auch immer wieder neue Perspektiven. Ich kreise nicht nur um mich selbst. Ich lasse mich herausfordern, Schritte aus meiner Komfortzone zu machen, höre auf Impulse im Alltag und empfinde mehr Leichtigkeit in meinem Alltag. Ich erinnere mich wieder, von wem alle Versorgung kommt, von wem die Wahrheit kommt und wer die erste Priorität hat. Ja, ich arbeite für Gott und nicht für die Menschen. Ich möchte mich freuen und mich vorbereiten auf das Fest, an dem wir die Ankunft vom Retter, unserem Jesus feiern. Ich will Raum schaffen in meinem Herzen. Das heisst nicht, dass ich untätig bin und nur noch auf meinem Lehnstuhl sitze und Tee trinke. Aber es heisst, dass ich mich bewusst an Jesus wende. Dass ich am Morgen zu seinen Füssen sitze und in seinem Wort lese. Dass ich nicht Geschenken hinterherrenne, sondern mich von göttlichen Impulsen und Ideen führen lasse. Dass ich Lücken zulassen kann. Dass ich mir bewusst bin, dass Gott mein Versorger ist, dass ich ihm die Kontrolle überlassen darf und dass ich nicht alles alleine stemmen muss. Vertrauen hat manchmal auch mit Warten zu tun. Es nicht einfach schnell aus eigener Kraft erledigen wollen, damit es getan ist, sondern auf Gott und seinen perfekten Zeitpunkt des Wunders warten. Es geht an Weihnachten um Gott, nicht um meine Performance. Es geht um ihn, der grossen Sehnsüchten und Nöten begegnen kann, nicht um mich, die ich kleine Wünsche erfüllen möchte. Ich bin Mensch, mit allem, was mich ausmacht. Ich mache Fehler und renne falschen Zielen nach. Aber ich habe Gott, der in mir am Werk ist und der mich erlöst hat durch Jesus, der -ja- an Weihnachten zur Welt gekommen ist. Eine Botschaft der Hoffnung.

Lilian