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Mein Name ist Rahab. Ich war früher eine ungebundene Frau, also nicht verheiratet. Ich habe mich an Männer verkauft. Ja, ihr habt richtig gelesen. Ich habe mich prostituiert. Das war nicht, was ich mir für mein Leben gewünscht habe, und ich glaube auch nicht, dass es mir gutgetan hat. Doch ich konnte mir ein Haus leisten, eine Herberge. Ich war unabhängig. Ich war selbstständig. Ich erzähle euch heute von meiner Begegnung mit Gott, dem Herrn.

Ich wohnte damals in Jericho, einer alten Stadt in Kanaan, mit einer starken Befestigung. Wir hatten eine riesige Mauer um unser Jericho herum, mehr als fünf Meter dick. Und wir hatten einen König.

Eines Tages kamen zwei Fremde in meine Herberge, sie haben bei uns übernachtet. Das war an sich nichts Ungewöhnliches, wir haben hin und wieder Gäste auf der Durchreise. Doch diese fremden Männer waren Kundschafter aus dem Volk der Israeliten. Also von dem Volk, das seit vierzig Jahren durch die Wüste zog. Ihr Gott hatte sie aus der Sklaverei in Ägypten befreit. Damit nicht genug; als sie aus Ägypten auszogen, hatte ihr Gott ein ganzes Meer geteilt, damit sie trockenen Fusses hindurchziehen konnten. Stellt euch das Mal vor! Ein Meer teilen. Wer hat sowas schon gehört, welcher Gott kann das? Wahnsinn. Die Amoriter, das Volk jenseits des Jordans, die wurden von den Israeliten einfach niedergewalzt.

Man hatte Angst vor den Israeliten. Oder vor ihrem Gott?

So auch unser König. Als er hörte, die Israeliten seien bei mir zu Gast, schickte er seine Männer zu mir. Doch ich habe unseren König angelogen. Ich habe die Israeliten nämlich auf meinem Dach versteckt und die Boten des Königs mit einer List weggeschickt. Ich sage euch auch, weshalb. Es macht keinen Sinn, die Israeliten aufhalten zu wollen! Ihr Gott ist allmächtig. Ihm ist alles möglich. Er hat ein Meer geteilt, erinnert ihr euch? Er ist der Herrscher des Himmels und der Erde, das habe ich erkannt. Und das Volk dieses Gottes kommt nun in unser Gebiet. Ich bin so gespannt, was nun alles passieren wird! Ich erwarte Grosses, sage ich euch. Und ich habe mit den Israeliten einen Deal ausgehandelt.

Ich habe auf die harte Tour gelernt, für mich selbst zu sorgen.

Nun begegnen mir Männer des höchsten Gottes, das war die Chance meines Lebens! Ich habe mir von ihnen, von ihrem Gott, mein Leben erbeten. Wenn sie Jericho einnehmen werden – und das werden sie ohnehin – so sollten sie doch bitte mich und meine Familie verschonen und uns am Leben lassen. Das war der Deal. Im Gegenzug habe ich ihnen geholfen.

Mein Haus ist Teil der Stadtmauer. Ich habe die Fremden also an einem karmesinroten Seil die Mauer runtergelassen, und ihnen weitere Tipps zur Flucht gegeben. Wir hatten die Abmachung, dass ich das rote Seil in das Fenster knüpfe, durch welches sie entkommen sind. Und alle, die zum Zeitpunkt des Angriffs in meinem gekennzeichneten Haus sein werden, die werden verschont. Kaum waren sie weg, knüpfte ich das Seil in mein Fenster. Sicher ist sicher.

Wir sahen die Israeliten kommen.

Von Schittim her. Ganz vorne, vor dem Volk, kamen eine Art Priester, wie wir vermuteten. Diese Männer trugen eine goldene Truhe, befestigt an zwei grossen Stäben. Die Truhe selbst hat keiner berührt. Auf der Truhe hatte es zwei Geschöpfe mit einer Art Flügel. Die waren ebenfalls aus Gold. Sowas hatten wir noch nie gesehen. Wie das glänzte in der Sonne! Einfach irre, das ganze. Jedes andere Volk schickt als Vorhut Soldaten! Aber nicht die Israeliten. Nun war die Zeit der Ernte und der Jordan war überall über das Flussufer getreten. Als nun diese Priester an den Jordan kamen, standen sie in den Fluss und warteten. Wir wussten nicht so genau, worauf. Wie sie wohl den Fluss überqueren würden? Die Priester warteten. Und warteten. Und mit ihnen wartete das ganze Volk! Irgendwann wurde das Wasser weniger. Und weniger, und noch weniger. Bis dann die Priester und das ganze Volk über den Jordan gezogen sind. Beziehungsweise über die Stelle, wo mal der Jordan war. Man hat uns erzählt, bei Adam oben, also weit entfernt, sei das Wasser einfach wie ein Damm stehen geblieben. Wahnsinn! Ich habe es euch ja gesagt, ihr Gott ist der einzig wahre, der Allmächtige!

Ihr könnt euch vorstellen, wie viel Angst man vor den Israeliten und ihrem Gott hatte. Unser König verriegelte sämtliche Stadttore, niemand kam hinaus oder hinein. Die Israeliten lagerten vor Jericho.

Wir haben erwartet, dass sie sich nun zum Angriff rüsten, dass nun der Krieg losgeht.

Aber nein! Die Israeliten sind einfach um die Stadt herum marschiert, einmal ringsherum. Ganz vorne Soldaten, bewaffnet und gerüstet. Dann sieben von diesen Priestern mit  sieben Hörnern, ich vermute von Widdern. Gefolgt von der goldenen Truhe. Am Schluss kam die Nachhut. Man hat die Hörner gehört, die Priester haben sie geblasen. Sonst war es mucksmäuschenstill. Man hat kein Wort gehört! Sie sind nicht auf die Tore losgestürmt, es gab keinen Angriff, es passierte nichts weiter. Sie sind einfach still um die Stadt herum marschiert. Es war so unrealistisch, so unheimlich! Man hat die Hörner gehört und den eigenen Atem. Danach gingen die Israeliten in ihr Lager zurück. Niemand wusste, was nun geschehen würde, die Anspannung war schier unerträglich. Es passierte nichts mehr, erst am nächsten Tag. Die Anspannung wurde von Tag zu Tag schlimmer, das ganze ging nämlich während sechs Tagen so weiter! Sollten wir ausgehungert werden? Wie lange würde das nun so weiter gehen?

Was hatten die Israeliten vor? Worauf warteten sie?

Am siebten Tag aber, da sind die Israeliten ganze siebenmal um die Stadt herumgezogen. Wir merkten alle, jetzt war etwas anders. Kam jetzt der grosse Angriff? Die Priester haben weiterhin die Hörner geblasen. Beim siebten Mal dann ist das ganze Volk der Israeliten in ein grosses Kriegsgeschrei ausgebrochen. Doch bevor sie auf die Stadttore losgestürzt sind, ist die Stadtmauer eingestürzt. Ja, ihr habt richtig gelesen. Die Stadtmauer ist einfach eingestürzt. Weg war sie! Und Jericho lag ungeschützt da! Die Soldaten des Königs völlig durcheinander, viele Verletzte, einfach schon nur durch den Einsturz der Mauer, ein grosses Durcheinander. Geschrei überall. Staubig war es, vom Einsturz. Chaos. Mein Haus ist irgendwie so stehen geblieben, so dass wir alle überlebt haben. Meine ganze Familie hat überlebt! Und ich musste alle zwingen, im Haus zu bleiben. So lautete nämlich die Abmachung, dass wir im Haus warten. Das brauchte Nerven und Vertrauen, einfach auszuharren und abzuwarten. Doch ich vertraute dem Herrn, dem Gott Israels. Meine Güte. Meer geteilt, Fluss gestoppt, Mauer einfach zerbröselt.

Entweder würde der Herr uns retten, oder wir hätten ohnehin keine Chance.

Die beiden Kundschafter haben uns abgeholt und in Sicherheit gebracht. Eigentlich lässt sich das Ganze gar nicht in Worte fassen. Dass ich das alles erleben durfte, dass ich den Herrn kennen lernen durfte, das ist ein riesiges Geschenk, und ich bin so dankbar! Es war das Beste, was mir in meinem Leben je passiert ist. Dem Herrn, meinem Gott, war es egal, welchen Beruf ich hatte. Er hat mich gerettet! Er ruft mich bei meinem Namen «Rahab» – und nicht «die Prostituierte Rahab». Ich habe dann übrigens tatsächlich noch geheiratet, mein Mann heisst Salmon.

Redaktorin: Manuela

Die Geschichte ist frei nacherzählt. Du kannst sie in der Bibel nachlesen. Sie steht in Josua, Kapitel 2-6, sowie in Matthäus 1:5.